07.11.2010 | Uschi Grandel
Internet - Kampagne Freiheit für Arnaldo Otegi

250 Personen aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft fordern in einem Brief an die spanische Regierung die unverzügliche Haftentlassung von Arnaldo Otegi, einer zentralen Führungspersönlichkeit der baskischen abertzalen Linken, der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung. Sie sehen seine mittlerweile mehr als ein Jahr andauernde Präventivhaft als “eine klare Verletzung fundamentaler Freiheitsrechte” und verweisen darauf, dass es “völlig klar und in der Öffentlichkeit bekannt” ist, dass Arnaldo Otegi eine der Schlüsselfiguren der Initiative der abertzalen Linken ist, den spanisch-baskischen Konflikt “auf ausschließlich friedlichem und demokratischem Weg zu lösen”. In einer Internetkampagne fordern Unterstützerinnen und Unterstützer mit persönlichem Foto und Arnaldo Otegis Haftnummer seine Entlassung (s. Foto, Kampagne und Webseite siehe unten).

An die Regierung des Königreichs Spanien

Die Gewerkschafterin Belén Arrondo und Paul Ríos, Koordinator des Friedensinstitutes Lokarri, präsentierten am vergangenen Freitag im baskischen Bilbo (span: Bilbao) einen Brief an “die Regierung des Königreichs Spanien”, an die Staatsanwaltschaft, sowie an die zuständigen Stellen des spanischen Sondergerichts Audiencia Nacional. Der Brief fordert die “unverzügliche Freilassung der baskischen politischen Führungspersönlichkeit Arnaldo Otegi”. Seine 250 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner repräsentieren ein breites Spektrum der baskischen Gesellschaft und kommen aus verschiedenen Parteien des linken und sozialdemokratischen Unabhängigkeitsspektrums, aus baskischen Gewerkschaften und auch aus den gesamtspanischen Arbeiterkommissionen (CCOO). Es sind Sportler, Fußballer, Journalisten, Anwälte, Professoren und Politiker, darunter auch die grüne, französische Europaabgeordnete Catjerine Grèze und die Sprecherin der spanischen Partei Izquierda Castillana, Doris Benegas.

Seit über einem Jahr in “präventiver” Haft

Anfang November 2010 hatte die Richterin Ángela Murillo des spanischen Sondergerichts Audiencia Nacional auf Antrag der Staatsanwaltschaft zum nun dritten Mal die Aufhebung der Präventivhaft und damit die Freilassung Arnaldo Otegis abgelehnt. Die Präventivhaft kann von dem Madrider Sondergericht auf bis zu vier Jahre ausgedehnt werden. Der hierfür nötige Terrorismusvorwurf wird von Spanien im spanisch-baskischen Kontext regelmäßig auch gegen politische und gesellschaftspolitische Aktivistinnen und Aktivisten der baskischen, linken Unabhängigkeitsbewegung erhoben.

Als Grund nannte Richterin Murillo denn auch im Falle Arnaldo Otegis die Zugehörigkeit zur Direktion der “sogenannten” abertzalen Linken. Sie nannte diese eine “Satellitenorganisation unter der Kontrolle und Vormundschaft der terroristischen Organisation ETA, die – insbesondere im Jahr 2009 – die von ihr verfolgten Ziele der konstitutionellen Subversion und der sozialen Einschüchterung erreichen will”

Friedensnobelpreisträger unterstützen Initiative der abertzalen Linken

“Insbesondere im Jahr 2009” stellte Arnaldo Otegi die Weichen für die Friedensinitiative der abertzalen Linken, die in den vergangenen Monaten viel Zustimmung erfahren hat und eine Dynamik für eine friedliche Lösung des spanisch-baskischen Konfliktes erzeugt hat. Auch Arnaldo Otegis Verhaftung im Oktober 2009 konnte dies nicht verhindern.

Eine breit angelegte, offene Diskussion der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung (“Klärung der politischen Phase und der Strategie”) war der Beginn. Am Ende dieser Diskussion stand im Februar 2010 ein unilaterales Bekenntnis der abertzalen Linken zu ausschließlich friedlichen und demokratischen Mitteln (“Zutik Euskal Herria – Steh auf, Baskenland!”). Die Initiative wird von internationalen Moderatoren, darunter mehrere Friedensnobelpreisträger, durch die Brüsseler Erklärung unterstützt. Deren Unterzeichnerinnen und Unterzeichner fordern von ETA, diesen Prozess durch “einen permanenten und vollständig verifizierten Waffenstillstand” zu stärken und rufen die spanische Regierung zu einer positiven Antwort auf. Im Baskenland fordert eine breite Bewegung vom spanischen Staat eine positive Antwort auf die Konfliktlösungsinitiative.

Bekenntnis zu friedlicher Betätigung eine terroristische Aktion?

Eine Friedensinitiative und die Forderung nach einem demokratischen Dialog als subversive, terroristische Aktion, die mit Präventivhaft belegt wird? Eine verkehrte Welt der Hardliner im spanischen Staat, für die die Gewaltspirale des spanisch-baskischen Konflikts Garant dafür war, durch repressive Maßnahmen und deren Legitimation durch den Anti-Terrorkampf Kontrolle zu behalten. Dazu passt auch das Gerichtsverfahren, das am 11. November 2010 gegen Arnaldo Otegi und zwei weitere führende Mitglieder der abertzalen Linken, Joseba Permach und Joseba Álvarez, beginnt. Für eine Großveranstaltung im November 2004, die den Friedensprozess von 2006 einleitete, fordert die Staatsanwaltschaft für die drei Politiker 18 Monate Haft und 12 Jahre Politikverbot.

Haben sie Angst vor dem “subversiven” demokratischen Dialog, weil ihnen in einer gleichberechtigten, friedlichen Auseinandersetzung die Kontrolle entgleiten könnte? So offen hatte es die Richterin nicht sagen wollen, aber es gibt keinen anderen Grund, warum Arnaldo Otegi seit über einem Jahr in Präventivhaft gehalten wird. Denn wie Belén Arrondo und Paul Ríos gegenüber der Presse betonten, “ist es klar und öffentlich bekannt, dass Herr Otegi die Lösungsvorschläge und Handlungen fördert und führt, die aus seinem politischen Bereich, der abertzalen Linken, für eine Lösung der politischen Probleme im Baskenland mit ausschließlich friedlichen und demokratischen Mitteln gemacht werden.”

Kampagne: Ein persönliches Foto für die Freiheit Arnaldo Otegis

Die Internetplattform “Arnaldo Askatu, Politika Askatu (Freiheit für Arnaldo, freie politische Arbeit)” hat eine Solidaritätskampagne für die Forderung nach der unverzüglichen Freilassung Arnaldo Otegis gestartet. Sie bittet darum, diese Forderung öffentlich mit Namen und Foto zu unterstützen. Wer sich beteiligen möchte, sollte ein persönliches Foto mit Arnaldo Otegis Haftnummer 8719600510 an die Kampagne schicken. Neunundfünfzig Unterstützer und Unterstützerinnen haben sich bereits gefunden.

Haftnummer von Arnaldo Otegi als PDF

Wer sich beteiligen möchte, schickt die Fotos bitte an meine Email-Adresse uschi [at] info-baskenland [Punkt] de”, ich leite sie dann weiter.


Weitere Informationen zur Initiative der abertzalen Linken und zu den Reaktionen: Info Baskenland, Konfliktlösung


Begriffsdefinition “abertzale Linke”: Der Begriff “abertzale Linke” ist eng verknüpft mit der speziellen Ausprägung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung als progressive und internationalistische Bewegung. Als solche umfasst sie ein breites Spektrum von Organisationen, wie zum Beispiel politische Parteien, Gewerkschaften und kulturelle Organisationen, sowie bedeutende Teile der Frauen- , Umwelt- und Internationalismusbewegungen, die das gemeinsame Ziel der Befreiung des Baskenlandes haben. So wie Republikanismus eine besondere Bedeutung im irischen Kontext besitzt, kann der Begriff “abertzale“ nicht nur einfach als Unabhängigkeitsbewegung übersetzt werden, ohne seine progressive Bedeutung zu betonen.

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