01.07.2011 | Uschi Grandel (Junge Welt vom 29.6.2011)

Prozeß gegen acht baskische Aktivisten vor spanischem Sondergericht. Arnaldo Otegi erklärt am ersten Prozesstag den Strategiewandel der Abertzalen Linken

Am Montag hat vor dem spanischen Sondergericht Audiencia Nacional in Madrid ein Prozeß gegen Arnaldo Otegi (2. v. r., Foto aus dem Gerichtssaal), den früheren Gewerkschaftschef Rafa Diez und sechs weitere führende Mitglieder der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung (Abertzale Linke) begonnen. Die Aktivisten waren 2009 führend an der Ausarbeitung der neuen Strategie der Abertzalen Linken beteiligt, in deren Mittelpunkt die Mobilisierung der baskischen Bevölkerung und die Ankündigung stehen, zur Durchsetzung der eigenen Ziele nur politische und demokratische Mittel anzuwenden. Die Staatsanwaltschaft fordert hingegen zehn Jahre Haft für die Angeklagten, weil diese unter dem Namen »Bateragune« einen Führungszirkel gebildet hätten, der anstelle der verbotenen Partei Batasuna Anweisungen von ETA ausführe.

Arnaldo Otegi, einer der bekanntesten Politiker der baskischen Linken, beantwortet vor Gericht zur Überraschung der Zuschauer auch die Fragen von Staatsanwalt Vicente González Mota. Über zwei Stunden erläuterte er im Gerichtssaal und vor den Kameras des direkt übertragenden spanischen Fernsehsenders RTVE, wie die abertzale Linke 2009 ihre Strategie entwickelt habe.

»Wenn der Einsatz für eine friedliche und demokratische Strategie strafbar ist, dann sind wir schuldig; wenn nicht, sind wir unschuldig«, beantwortete Otegi, der seit seiner Verhaftung im Oktober 2009 »präventiv« im Gefängnis sitzt, die Anfangsfrage des Staatsanwalts nach einem Schuldeingeständnis.

Seine politische Aktivität wolle er nicht leugnen, er habe aktiv für den Strategiewechsel der baskischen Linken gearbeitet, unterstrich Otegi. Es sei notwendig gewesen, nach dem gescheiterten Konfliktlösungsversuch aus dem Jahre 2006 das Vertrauen der baskischen Bevölkerung zurückzugewinnen.

Eine breite Bewegung, wie sie die baskisch-sozialdemokratische Partei Eusko Alkartasuna (Baskische Solidarität) und die Abertzale Linke gemeinsam anstreben, sei nur bei klarer Zurückweisung von Gewalt möglich. Das unterscheide ihre Haltung von der Position der ETA, die ein breites Bündnis für möglich halte, ohne den bewaffneten Kampf aufzugeben. »Wir sehen das nicht so«, betonte Otegi.

Auch Treffen mit Aktiven der linken Jugendbewegung räumte er ein. Diese verteidigten die neue Strategie „mit besonderem Engagement“. Die Pro-Unabhängigkeitsjugend wird vom spanischen Staat kriminalisiert, ihre Organisationen sind verboten und Jugendliche starker Repression durch den spanischen Staat ausgesetzt.

Als der Staatsanwalt hartnäckig darauf besteht, den Strategiewechsel der baskischen Linken als Erfolg repressiver Polizeitaktik zu interpretieren, weist Otegi dies zurück. Die politische Entwicklung der letzten zwei Jahre im Baskenland belege die Version der Angeklagten, nicht die der Staatsanwaltschaft.

Unter der Losung »Das Baskenland – frei und legal« begleitet eine große Solidaritätsbewegung den Prozeß. Zum Verfahrensauftakt fanden in den vier großen Städten des Baskenlandes Kundgebungen für die Freiheit der Angeklagten statt. Eine weitere Großdemonstration ist für den 2. Juli in Donostia (San Sebastián) geplant. Der Prozeß dauert voraussichtlich bis zum 7. Juli.


Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 29.6.2011, “Frieden verboten”

Siehe auch: Prozess „Bateragune“: 10 Jahre Haft beantragt für die Suche nach einer demokratischen Lösung

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