13.01.2011 | Ingo Niebel (Junge Welt vom 12.1.2011)

Spanische Regierung hält Waffenstillstand der ETA für unzureichend

Spaniens Regierung hat mit neuen Verhaftungen auf den einseitigen Waffenstillstand reagiert, den die Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA) am Montag verkündete. Am Dienstag morgen nahm die Polizei beiderseits der Pyrenäengrenze zwei Basken unter dem Vorwurf fest, der ETA anzugehören.

Die Polizeiaktion überrascht nicht, da die spanische Regierung bereits in den vergangenen Monaten jeden Schritt der ETA hin zu einer Verhandlungslösung mit Verhaftungen beantwortet hat. Schon unmittelbar nach Bekanntwerden der ETA-Erklärung am Montag hatte der sozialdemokratische Premier José Luis Rodríguez Zapatero erklärt, es werde keinen Dialog geben. Sein Innenminister und möglicher Nachfolger als Kandidat für das Regierungsamt Alfredo Pérez Rubalcaba hatte seinerseits kritisiert, daß die ETA davon ausgehe, »daß das Ende der Gewalt einen Preis habe«. Diesen politischen Preis will Zapateros Minderheitsregierung jedoch nicht bezahlen, obwohl oder weil sie in den Umfragen zehn Prozentpunkte hinter der postfranquistischen Volkspartei (PP) von Mariano Rajoy liegt. Deren Generalsekretärin, María Dolores de Cospedal, forderte die Selbstauflösung der ETA. Der Vorsitzende der Vereinigten Linken (IU), Cayo Lara, verlangt von der Organisation, daß sie die »Unumkehrbarkeit« ihres Waffenstillstandes erkläre.

Die Madrider Presse sekundierte dieser Verweigerungshaltung. El País stellte den Waffenstillstand gar als das Resultat der »Null-Toleranz-Politik« des Ministerpräsidenten der Autonomen Baskischen Gemeinschaft, Patxi López, dar. Der Sozialdemokrat regiert seit 2009 dank Tolerierung durch die PP und dem Umstand, daß es der linken Unabhängigkeitsbewegung verboten war, an den Regionalwahlen teilzunehmen.

Die verbotene Linkspartei Batasuna (Einheit) maß der ETA-Erklärung eine »historische Weite« zu. Diese Wertung teilt auch der internationale Vermittler Brian Currin. Der Experte für Konfliktlösungen stellte gegenüber der linken baskischen Tageszeitung Gara fest: »Die ETA hat positiv auf die Bitte reagiert, die man ihr gestellt hat.« 2010 hatten vier Friedensnobelpreisträger und weitere internationale Persönlichkeiten in einer »Brüsseler Erklärung« die ETA aufgerufen, die Waffen »bedingungslos und verifizierbar« niederzulegen. Die linke Unabhängigkeitsbewegung und weitere baskische Organisationen, die eine Verhandlungslösung in dem Konflikt anstreben, taten ähnliches zuletzt in ihrer »Erklärung von Gernika«. »Die ETA ist dem gefolgt, und ich stehe jetzt in Gesprächen mit der Kontaktgruppe«, sagte Currin. Die Gruppe solle den Waffenstillstand überwachen. Wie das geschehen kann, ist unklar, da Innenminister Rubalcaba bereits klargemacht hat, daß er eine internationale Beteiligung ablehnt. Dessen ungeachtet sondiert Currin das Terrain im Baskenland, wo er demnächst die Mitglieder der Kontaktgruppe vorstellen will. Daß Madrid darauf mit neuerlicher Repression reagieren könnte, liegt im Bereich des Möglichen.


Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 12. Januar 2011

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