04.10.2010 | Ingo Niebel (vom 2. Okt. 2010)

46000 Basken demonstrieren für politische Freiheiten und eine Verhandlungslösung

Sechsundvierzigtausend Menschen demonstrierten am Samstag in der baskischen Hafenmetropole Bilbo (span.: Bilbao) für die Menschenrechte, die politischen Freiheiten und eine Verhandlungslösung des Konflikts mit Spanien. Trotz aller Repression und Verbote im Vorfeld verlief die Demonstration friedlich. Mit ihrem Protest sandte ein heterogenes politisches Feld eine klare Botschaft nach Madrid und an die Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit): Wir wollen eine Verhandlungslösung in einem Szenario ohne jegliche Art von Gewalt, an dem sich alle politische Strömungen frei beteiligen können.

Die große Anzahl an Demonstranten aus politisch sehr unterschiedlichen Bereichen wäre nicht zusammengekommen, wenn die ETA im September nicht mehrmals ihre grundsätzliche Bereitschaft zu einer Lösung nach nordirischem Vorbild erklärt hätte. Madrid sekundierte, indem es am 11. September gleich zwei Demonstrationen in Bilbo verbot. Damals schon wollten Basken für die Meinungsfreiheit, gleiche politische Rechte für alle und eine friedliche Konfliktlösung auf die Straße gehen.

Ein Hauptziel der verbotenen baskischen Linkspartei Batasuna (Einheit) und der mit ihr kooperierenden sozialdemokratischen Eusko Alkartasuna (EA, Bask. Solidarität) ist in dieser Phase, eine breite Massenbasis für den zukünftigen Friedensprozeß zu schaffen. Das ist am Samstag gelungen: Neben Batasuna-Vertretern sah man Kader ihrer Abspaltung Aralar. Aus dem gesamtspanischen Spektrum war lediglich die Vereinigte Linke (IU/EB) anwesend. An ihrer Seite marschierten Angehörige von Alternatiba, die nach dem Debakel bei der Regionalwahl 2009 die Partei verlassen hatten. EA-Politiker protestierten gemeinsam mit Repräsentanten ihrer bürgerlichen Mutterpartei, der Baskischen Nationalpartei (PNV). Letztere hat sich gerade mit der in Madrid regierenden Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) arrangiert und der Minderheitsregierung von José Luis Rodríguez Zapatero das politische Überleben bis zur Wahl 2012 gesichert. Zapateros Partei blieb der Demo ebenso fern wie die postfranquistische Volkspartei (PP).

Madrid hat auf die Friedensbemühungen der baskischen Linken, die unter internationaler Beteiligung stattfinden, bisher mit Verboten und Festnahmen reagiert. Von den letzte Woche verhafteten sieben Angehörigen der linken internationalistischen Organisation Askapena (Befreiung) kamen fünf ins Gefängnis. Als Begründung heißt es, sie hätten im Ausland für eine Friedenslösung geworben und das entspräche den Vorgaben der ETA. Vor einigen Tagen nahm die Polizei drei Basken fest, die einem ETA-Kommando angehören sollen. Während Spaniens Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba (PSOE) die Aktion groß zelebrierte, befindet sich ein Festgenommener seit Samstag wieder auf freiem Fuß. Die Polizei selbst ließ ihn frei, ohne daß ein Untersuchungsrichter die Freilassung anordnen mußte.

Die parteiübergreifende Massendemonstration vom Samstag erhöht den Druck auf die Regierung Zapatero, einen anderen Kurs in der Baskenland-Frage einzuschlagen. Eine weitere Manifestation findet am kommenden Samstag in Iruñea (Pamplona) statt.

Gleichzeitig steht der Premier auch innerparteilich am Scheideweg: Am Sonntag entschieden die Mitglieder des Madrider Landesverbands, dass nicht Zapateros Wunschkandidatin, die Ministerin Trinidad Jiménez, sondern ihr Vorsitzender Tomás Gómez sie in den Regionalwahlkampf 2011 führen soll.

Erstveröffentlichung, Junge Welt vom 4.10.2010 (in ähnlicher Form): Basken wollen Frieden

Foto: GARA, 4.10.2010

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