04.01.2013 | Jon Andoni Lekue (Junge Welt vom 2.1.2013)

Madrid und Paris behindern friedliche Lösung des Konflikts im Baskenland

Mehr als ein Jahr nach dem Ende der bewaffneten Aktionen der baskischen ETA warten die Menschen in der zwischen Spanien und Frankreich geteilten Region weiter auf Schritte zum Frieden. Eine erste Initiative in diese Richtung könnte die Lösung der Frage der baskischen Gefangenen sein. Die Überführung aller Inhaftierten ins Baskenland, die Freilassung aller schwerkranken Gefangenen, das Ende der Strafverlängerung und die Einhaltung der Menschenrechte gehören zu den Forderungen, für die Tausende am 12. Januar in Bilbao auf die Straße gehen wollen.


Aus Sicht der baskischen Linken sind der politische Konflikt und seine Ursachen, die territoriale Teilung des Baskenlandes und die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts, immer noch nicht gelöst. Die Haltung des spanischen Staates und der Regierung in Madrid zu dieser Frage haben sich bisher nicht grundsätzlich geändert. Das am 20. Oktober 2011 von der ETA verkündete endgültige Ende ihrer bewaffneten Aktivitäten wird von der Linken als Antwort auf den von ihr initiierten demokratischen Prozeß und auf die »Erklärung von Aiete« verstanden. Dieses Dokument war am 17. Oktober 2011 von Vertretern der internationalen Gemeinschaft in Donostia (San Sebastián) verlesen worden, um einen Friedensfahrplan zur Beendigung des Konflikts vorzustellen. Dem Papier zufolge sollten alle Parteien und sozialen Kräfte so bald wie möglich Verhandlungen aufnehmen, um einen neuen politischen Konsens zu erreichen. Während solche Verhandlungen von den baskischen Christdemokraten der PNV und den spanischen Sozialdemokraten (PSOE-PSE) gebremst werden, lehnt die in Madrid regierende spanische Rechte (PP) sie vollständig ab. Im Gegensatz dazu unterstützen praktisch alle Parteien, Gewerkschaften und Organisationen in dem unter französischer Verwaltung stehenden Nordbaskenland den Friedensfahrplan von Aiete. Sie planen gemeinsame Strategien, um die Blockadehaltung von Paris und Madrid zu überwinden.

Die Erklärung von Aiete empfahl auch, daß die ETA mit der spanischen und der französischen Regierung über einen Plan zur Freilassung aller politischen Gefangenen, zur Rückkehr der Flüchtlinge und zur Entmilitarisierung aller Seiten verhandeln solle. Die illegale Organisation hat mehrmals ihre Bereitschaft zu einem solchen Dialog bekundet, aber dem spanischen Staat fehlt offenkundig eine Strategie für den Frieden und für eine politische Lösung. Als Folge davon schwinden seine Legitimität und soziale Unterstützung auch in anderen Regionen. Das Baskenland ist nicht die einzige »unzufriedene Ecke« innerhalb der spanischen Grenzen – die Forderung nach mehr Autonomie und sogar nach Unabhängigkeit wächst auch in Katalonien rasant.

Trotzdem halten Paris und Madrid an ihrer polizeilichen Strategie fest und verschärfen sogar die Politik gegenüber den politischen Gefangenen. Diese grausame Sonderpolitik hat die Entwicklung des Friedensprozesses im Baskenland nun an einen kritischen Punkt gebracht.

Jon Andoni Lekue ist Rechtsanwalt im Baskenland und Vertreter der Abertzalen Linken


Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 2.1.2013 weiterlesen >>

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