14.03.2012 | Uschi Grandel (Junge Welt vom 13.3.2012)

Spanische Parteien wollen gleichberechtigte Anerkennung aller Opfer des spanisch-baskischen Konflikts verhindern. Der baskische Regierungschef Patxi Lopez (s. Foto) erwähnt die Opfer spanischer Repression nur am Rande und »auf keinen Fall im Geiste der Gleichsetzung mit der terroristischen Gewalt, die wir erdulden mußten.«

Heute vor acht Jahren wurde der baskische Bäcker Angel Berrueta von einem Polizisten in seinem Laden in Iruñea (spanisch: Pamplona) ermordet. Er hatte sich geweigert, dort ein Anti-ETA Plakat aufzuhängen. Unmittelbar nach dem Attenat auf Regionalzüge in Madrid, bei dem am 11. März 2004 191 Menschen ums Leben kamen, hatte der damalige spanische Regierungschef José María Aznar die baskische Untergrundorganisation ETA als angebliche Attentäter benannt, obwohl alle Spuren in andere Richtungen führten.

Auf der so erzeugten antibaskischen Hysteriewelle wollte er die Wahlen zum spanischen Parlament gewinnen. Als das bekanntwurde, schlug die Stimmung um, und seine rechte Partido Popular (PP) verlor die Wahl. Aber da war Angel Berrueta schon tot. Berruetas Witwe kämpft noch heute um die Anerkennung ihres Gatten als eines Opfers des spanisch-baskischen Konflikts. Hunderte ihrer Nachbarn waren auch dieses Jahr gekommen, um Angel Berrueta zu gedenken, offiziell ist sein Tod jedoch in die Rubrik »Nachbarschaftsstreitigkeiten« eingeordnet.

Denn wie viele andere ist der Bäcker für die beiden großen spanischen Parteien PSOE und PP ein Opfer auf der falschen Seite. Das belegt, welchen Anteil die spanische Regierung, ihre ausführenden Organe, ihre Sondergesetze, die Sonderjustiz und die großen spanischen Medien an der Gewaltspirale des spanisch-baskischen Konflikts hatten. Jedes dieser Opfer konterkariert damit die Deutung des Konflikts als Kampf der Demokraten gegen den Terrorismus.

Nicht alte Konfliktschemata, sondern »Großzügigkeit und staatsmännisches Handeln« seien für eine dauerhafte Lösung des spanisch-baskischen Konflikts nötig, hieß es bereits in der Abschlußerklärung der Friedenskonferenz von Aiete, die am 17. Oktober 2011 im baskischen Donostia (spanisch: San Sebastian) unter großer internationaler Mitwirkung stattfand. Teilnehmer war neben anderen auch der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Kofi Annan. Auch der Großteil der baskischen Gesellschaft war auf der Konferenz vertreten, völlige Ablehnung kam nur von der PP.

Während die Konferenz von Aiete zur gemeinsamen Konfliktbewältigung aufrief, grenzt der »Vorschlag für eine neue Zeit«, den der baskische Regierungschef Patxi Lopez (s. Foto) am vergangenen Donnerstag dem Parlament der Baskischen Autonomen Gemeinschaft unterbreitete, aus. In einem einzigen Absatz seiner 32seitigen Erklärung erwähnt er die Opfer spanischer Repression. Seine Regierung habe auch die Aufgabe, sich für »Opfer von Rechtsverletzungen als Konsequenz der Überreaktion einiger öffentlicher Funktionäre« einzusetzen. »Aber auf keinen Fall im Geiste der Gleichsetzung mit der terroristischen Gewalt, die wir erdulden mußten.« Die Vorschläge von Patxi Lopez seien »nicht auf der Höhe der Zeit«, kommentierte Joseba Permach von der baskischen Linken. Ausgrenzung werde den Konflikt nicht überwinden.


Erstveröffentlichung: Junge Welt vom 13.3.2012

Anmerkung: Patxi Lopez ist Mitglied der PSE, der baskischen Regionalpartei der spanischen PSOE. Er leitet eine Minderheitsregierung unter Duldung der rechten PP. Die Regierungsübernahme in der Autonomen Baskischen Gemeinschaft durch die beiden pro-spanischen Parteien war Ergebnis des Verbots sämtlicher Parteien der Abertzalen Linken, der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung, die an den Wahlen zur Regionalregierung im März 2009 deshalb nicht teilnehmen konnte.


Siehe auch: Erklärung von Aiete weiterlesen >>

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