02.02.2012 | Euskal Herriaren Lagunak
Poster Aktionswoche Web - klein

Internationale Aktionstage der Solidarität mit dem Baskenland

Berlin + Hamburg + Karlsruhe + Nürnberg + Belfast + London + Milano + Roma + Madrid + Paris + …

vom 17. – 26. Februar 2012


Informationen zu Terminen, Poster, Flyer: s.u.

Die Friedensinitiative, die die baskische Abertzale1 Linke vor zwei Jahren startete, hat das Baskenland sichtbar verändert. Nur wenige Berichte darüber schafften es bei uns in die Schlagzeilen. So wie die Erklärung von ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) vom 20. Oktober 2011, ihren über 50-jährigen bewaffneten Kampf zu beenden. Die spannende Dynamik, die zu dieser Entwicklung führte, blieb allerdings meist im Dunkel.

Freiheit und Selbstbestimmung für das Baskenland

Im Baskenland findet diese Friedensinitiative große Zustimmung in der Bevölkerung. Sichtbar wird dies in einem enormen Anstieg aktiver Bürgerbeteiligung. Der bekannte Sprecher der baskischen Linken Arnaldo Otegi sieht diese Beteiligung als einen der wichtigsten Pfeiler der neuen Strategie, an deren Entwicklung er maßgeblich beteiligt war. Im September 2011 wurde er für dieses Engagement zur Überwindung des spanisch-baskischen Konflikts in einem skandalösen politischen Prozess vom spanischen Sondergericht Audiencia Nacional zu zehn Jahren Haft verurteilt. In einem Interview, das er der baskischen Zeitschrift hAUSnART' Anfang des Jahres aus dem Gefängnis von Logroño heraus gibt, betont er die zentrale Bedeutung aktiver Teilhabe:

“Viele wollten glauben machen, oder dachten wirklich, dass die einzige und bestimmende „Neuheit“ unserer neuen Strategie die veränderte Haltung zum bewaffneten Kampf ist. Aber so ist es nicht. Das Ende des bewaffneten Kampfes war eine unerlässliche Bedingung, ist aber gleichzeitig alleine nicht ausreichend, um unsere Ziele zu erreichen. Unsere Strategie muss ganzheitlich sein, Teilhabe ermöglichen, Bürgerinnen und Bürger einbinden und zivilen Ungehorsam üben.“

Auf die Straße

Eine Vorstellung vom gewaltigen Ausmaß, das diese Beteiligung mittlerweile angenommen hat, konnte man am 7. Januar 2012 in Bilbo (span: Bilbao) bekommen. Ein Menschenmeer von über 110.000 Demonstranten brachte die Innenstadt zum Stillstand. Die Demonstranten forderten ein Ende der grausamen spanischen Politik gegenüber den baskischen politischen Gefangenen und als Sofortmaßnahmen die Entlassung schwer kranker Gefangenen und die Verlegung der fast 700 politischen Gefangenen ins Baskenland. Es war die größte Demonstration des letzten Jahrzehnts.

Wie sich diese überwältigende Unterstützung in nachhaltige Aktivität umsetzen lässt, diskutierten im Nachgang die lokalen Solidaritätsgruppen, die das Rückgrat der Solidarität mit den baskischen politischen Gefangenen bilden. Als Ergebnis entstand Anfang Februar 2012 eine neue Organisation „Herrira (nach Hause)“, die parteiunabhängig ist und eine noch breitere Beteiligung für die Forderung nach Amnestie, also nach Heimkehr der baskischen politischen Gefangenen und der Flüchtlinge, ermöglichen soll.

Auch im Politikbetrieb des Baskenlands sind Veränderungen deutlich sichtbar. Zwar ist die spanische Politik der Parteienverbote noch nicht überwunden. Der neuen Partei Sortu, für die die Abertzale Linke im Februar 2011 die Zulassung als Partei beantragte, wurde vom spanischen Innenminister und vom Obersten spanischen Gerichtshof die Zulassung verweigert. Die Beschwerde dagegen liegt derzeit beim spanischen Verfassungsgericht. Das linke Wahlbündnis Bildu, in dem Einzelpersonen der Abertzalen Linken gemeinsam mit der baskischen sozialdemokratischen Partei EA (Eusko Alkartasuna, Baskische Solidarität) kandidierten, konnte allerdings im Mai 2012 zur Kommunalwahl antreten. Bildus Ergebnis war die Sensation des Wahlabends. Das Bündnis stellt nun die meisten Stadt- und Gemeinderäte im spanisch verwalteten Teil des Baskenlands2. Der Einzug der Bildu-Kandidaten in die Rathäuser und in die Provinzparlamente von Araba, Bizkaia, Gipuzkoa und Nafarroa (span: Navarra) war ein wichtiger Schritt in Richtung Demokratisierung des Baskenlandes.

Madrid fürchtet internationale Vermittlung

Auch eine zweite Säule der Friedensstrategie der Abertzalen Linken hat sich als tragfähig erwiesen. Die internationale Unterstützung für eine friedliche und demokratische Lösung des Konflikts zwischen dem Baskenland und dem spanischen sowie dem französischen Staat wächst und zeigt ihre Wirkung. Die Aiete-Friedenskonferenz, die am 17. Oktober 2011 in Donostia (span: San Sebastian) stattfand, erhielt hochkarätige Unterstützung. Bertie Ahern, Kofi Annan, Gerry Adams, Jonathan Powell, Gro Harlem Bruntland und Pierre Joxe waren nach Donostia gekommen, Tony Blair, George Mitchell und Bill Clinton teilten im Nachhinein ihre Unterstützung mit.

Die spanische Regierung fürchtet diese internationale Einmischung. Denn das einzige, was sie der Friedensinitiative aus dem Baskenland bisher entgegenzusetzen vermochte, war ein „weiter so“ in Bezug auf ihre repressive Politik. Diese nach dem Ende des bewaffneten Kampfes von ETA einfach beizubehalten, bringt die spanische Regierung in Erklärungsnot. Denn die Verfolgung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung erfolgte bisher immer unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Terrorismus. Die hierfür geschaffenen Strukturen und Gesetze ermöglichten der spanischen Regierung das Verbot von Batasuna im Jahr 2003 und danach weitere Verbote von Parteien, Organisationen und Wahlbündnissen. Razzien, Folter, Massenprozesse und horrende Haftstrafen richteten sich durch eine immer weitergehende Ausdehnung des Terrorbegriffs gegen politische, soziale und kulturelle Aktivistinnen und Aktivisten im Umfeld der linken Unabhängigkeitsbewegung.

Mit diesen Instrumenten war sich die spanische Regierung sicher, die politische Ausgrenzung der baskischen Linken erfolgreich aufrechtzuerhalten und damit Bestrebungen nach Unabhängigkeit kriminalisieren zu können. Nach Schätzungen baskischer Menschenrechtsorganisationen sind derzeit etwa 300 Personen wegen ihrer politischen Gesinnung in Haft oder von einem entsprechenden Gerichtsverfahren bedroht. Über 10.000 Baskinnen und Basken wurden in den letzten 50 Jahren in Polizeigewahrsam gefoltert. Etwa 40.000 politische Aktivistinnen und Aktivisten können nicht zu Wahlen kandidieren, weil sie auf schwarzen Listen geführt werden und ihre Kandidatur in der Vergangenheit ein Verbot der ganzen Liste zur Folge hatte.

Wenn der Innenminister nicht mehr Recht hat

Nun engen die aus der internationalen Unterstützung für eine friedliche und demokratische Konfliktlösung entstandenen Strukturen und Prozesse den staatlichen repressiven Spielraum ein. Ein Beispiel ist die Auseinandersetzung um den Bericht der Internationalen Verifizierungskommission (IVC). Die IVC ist ein internationales Gremium, das im September 2011 gegründet wurde, um den Waffenstillstand im Baskenland zu überwachen.

Am 26. Januar 2012 legte die IVC ihren Bericht vor. In ihm bestätigt sie, dass die baskische bewaffnete Organisation ETA (Euskadi Ta Askatasuna, Baskenland und Freiheit) “keine Absicht (habe), in der Zukunft Gewalt oder terroristische Aktionen zu organisieren oder zu begehen.” Die IVC bewertet das Ende des bewaffneten Kampfes von ETA als nicht umkehrbar.

Der Bericht der Kommission war eine Ohrfeige für das spanische Innenministerium, das nur Tage zuvor über eine mögliche Rückkehr von ETA zur Gewalt spekuliert hatte. Trotzig erklärt die neue spanische Regierung unter Mariano Rajoy, dass allein die spanische Polizei solche Bewertungen vornehme. Mit dieser Position steht die Rechte in Spanien aber inzwischen alleine da. Alle anderen Parteien, selbst die ehemalige spanische Regierungspartei PSOE, ziehen die Integrität der IVC und ihrer Berichte nicht in Zweifel.

In den Veranstaltungen der Solidaritätswoche wollen wir über die neue Entwicklung im Baskenland sprechen. Wir haben Gäste aus dem Baskenland eingeladen, mit denen wir über diese Entwicklung, aber auch über die anhaltende Repression und die für eine Konfliktlösung zentrale Frage der baskischen politischen Gefangenen diskutieren werden.

Euskal Herriaren Lagunak – Freundinnen und Freunde des Baskenlands



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[1] Die Bedeutung des baskischen Begriffs “abertzale“ in „abertzale Linke“ ist verknüpft mit der speziellen Ausprägung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung als progressive und internationalistische Bewegung. Als solche umfasst sie ein breites Spektrum von Organisationen, wie zum Beispiel politische Parteien, Gewerkschaften und kulturelle Organisationen, sowie bedeutende Teile der Frauen-, Umwelt- und Internationalismusbewegungen, die das gemeinsame Ziel der Befreiung des Baskenlandes haben. So wie Republikanismus eine besondere Bedeutung im irischen Kontext besitzt, kann der Begriff „abertzale“ nicht nur einfach als Unabhängigkeitsbewegung übersetzt werden, ohne seine progressive Bedeutung zu betonen.

[2] Euskal Herria (Baskenland), 20.000 km2, 3 Millionen Einwohner, 7 Provinzen, vier davon auf der spanischen, drei auf der französischen Seite. Bizkaia, Gipuzkoa und Araba bilden die Autonome Baskische Gemeinschaft (CAV), Nafarroa wird separat verwaltet. Oft wird das Baskenland mit der CAV gleichgesetzt.

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