Dienstag, 13.10.2009: Verhaftung zehn prominenter baskischer Gewerkschafter und politischer Aktivisten soll politische Initiative zur Konfliktlösung verhindern

Spanische Polizei dringt am Dienstag, den 13. Oktober 2009, in den Sitz der zweitgrößten baskischen Gewerkschaft LAB in Donostia (span: San Sebastian) ein und verhaftet sechs führende Personen aus Gewerkschaft und linker Unabhängigkeitsbewegung. Darunter sind der ehemalige Sprecher von Batasuna Arnaldo Otegi und der ehemalige Chef der LAB, Rafa Díez. Beide sind prominente Führungspersönlichkeiten im Baskenland, bekannt für ihre jahrzehntelangen Bemühungen, den spanisch-baskischen Konflikt durch Verhandlungen auf friedlichem, politischen Weg zu lösen.

Verhaftungen sollen neue politische Initiative zur Konfliktlösung verhindern

Seit Monaten war bekannt, dass beide intensiv daran arbeiteten, mit einer neuen politischen Konfliktlösungsinitiative aus der gegenwärtigen Gewaltspirale im spanisch-baskischen Konflikt zu Verhandlungen zu kommen. Insgesamt wurden in der Nacht vom 13. Oktober 2009 im Baskenland zehn politische Aktivisten verhaftet.

In Spanien gibt es derzeit eine unselige Allianz des großspanischen Nationalismus, die von der äußersten Rechten bis hin zu den regierenden so genannten Sozialisten unter Zapatero reicht. Diese Allianz bekämpft jeden Versuch der friedlichen Lösung des spanisch-baskischen Konflikts als Hochverrat. Hier reihen sich Richter des Sondergerichtshofs “Audiencia Nacional” ein, die als willige Sonderjustiz politische Friedensbestrebungen als Terrorismus verfolgt.

Ausschaltung politischer Akteure mit Mitteln der Sonderjustiz

Erst vor einigen Tagen wurde bekannt, dass eben dieses Sondergericht einen Prozess gegen Arnaldo Otegi und andere “wegen Verherrlichung des Terrorismus” ausgerechnet wegen seiner Friedensbemühungen im Vorfeld des letzten Konfliktlösungsprozesses anstrebt. Otegi war mit seinen Vorschlägen und Reden maßgeblich am Zustandekommen dieses Prozesses beteiligt, der zu Verhandlungen führte und von einem 8-monatigen Waffenstillstand der ETA begleitet wurde. Otegi soll dafür einige Monate ins Gefängnis und für mehrere Jahre Politikverbot (!) erhalten. Dies ist Ausschaltung eines wichtigen politischen Akteurs mit Mitteln der Sonderjustiz.

Mehrere internationale Moderatoren verzweifelten immer wieder daran, dass spanische Regierung und Justiz mit Mitteln agieren, die mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie unvereinbar sind. Raymond Kendall, der inzwischen 75-jährige ehemalige Generalsekretär von Interpol nannte auf einer Veranstaltung im Europaparlament im Herbst 2008 „die Ignoranz gegenüber Fragen, die Menschenrechte betreffen, … Teil der (spanischen) Rechtskultur …“ (s. Veranstaltung in Brüssel kritisiert Polizeimaßnahmen und fordert von Madrid einen demokratischen Prozess)

Die offizielle Erklärung für die Verhaftungen von heute Nacht ist genau so dürftig, wie bei jeder der vielen anderen politischen Verhaftungen der letzten Jahre. Da selbst das Sondergericht nicht abstreiten kann, dass den Verhafteten schwerlich mehr vorzuwerfen ist als friedliche, politische Aktivitäten, behaupten sie, diese Aktivitäten seien von der ETA angeordnet und damit direkter Terrorismus. Mag die UNO noch so vehement darauf beharren , dass diese Auslegung nichts mit Terrorismusbekämpfung, aber alles mit unzulässigem Politikverbot zu tun habe. (s. hierzu auch unsere Übersetzung des Interviews mit dem Sonderberichterstatter der UNO für Menschenrechte: In Spanien gibt es Institutionen, die nichts mit Demokratie zu tun haben)

40.000 folgen dem Demonstrationsaufruf der baskischen Gewerkschaften

Dass die spanische Regierung und die Richter des Sondergerichts “Audiencia Nacional” nun offen Konfliktlösungsinitiativen mit Verhaftung verfolgen und dabei auch nicht vor der Verhaftung prominenter Gewerkschafter Halt machen, hat die baskische Gesellschaft zutiefst empört. Mehr als 40.000 Menschen gingen am 17. Oktober in Donostia in einer der größten Demonstrationen, die das Baskenland seit vielen Jahren gesehen hat, gegen die Verhaftungen auf die Strasse (s. Foto). Alle baskischen Gewerkschaften, die zusammen über 70% der organisierten Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter vertreten, hatten gemeinsam unter dem Motto »Für die Freiheit. Bürgerrechte für alle« zu der Demonstration aufgerufen. Selbst Vertreter der konservativen PNV waren unter den Teilnehmern.

Auf der Abschlußkundgebung forderten die Generalsekretäre der beiden grössten Gewerkschaften ELA und LAB, Ainhoa Etxaide (LAB) und Adolfo Muñoz (ELA), von Madrid in einer gemeinsamen Erklärung die sofortige Freilassung der Inhaftierten:

“Aus unserer Sicht ist die Verhaftung führender Politiker der linken Unabhängigkeitsbewegung durch Richter Baltasar Garzón besonders schwerwiegend, weil der Grund für die Verhaftungen die politische Entscheidung der spanischen Regierung ist, einem Teil der Gesellschaft wegen seiner Überzeugungen die Teilnahme am politischen Leben zu verweigern.”

Die düstere Ära des Garzonismus

Regierungen der Länder, die Einfluss auf Spanien haben könnten, wie zum Beispiel auch die deutsche Regierung, haben bisher zu all diesen schwerwiegenden Bürgerrechtsverstößen geschwiegen und offenbaren damit ein zutiefst opportunistisches Verständnis von Demokratie.
Wolfgang Kuhlmann von der Friedenstreiberagentur (FTA) kommentiert das nächtliche Wirken des für die Verhaftungen verantwortlichen Richters Baltasar Garzón:

“In späteren Jahren wird man vielleicht von der düsteren Ära des Garzónismus sprechen und von unspanischen Umtrieben – analog zu den Repressionsjahren in den USA unter dem Diktat des McCarthy und der unamerikanischen Umtriebe.”

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