08.07.2009 | Uschi Grandel (nach GARA, 8.7.2009)

Der inzwischen 51-jährige baskische politische Gefangene Jose Mari Sagardui, genannt Gatza, hat mehr Zeit seines Lebens im Gefängnis verbracht als in Freiheit. Heute sind es 29 Jahre. Er ist damit der am längsten inhaftierte politische Gefangene Europas. Seit 29 Jahren fordern die Bürgerinnen und Bürger in Zornotza, seinem baskischen Heimatort und an anderen Orten des Baskenlands in Kundgebungen, Aktionen und Resolutionen seine Freilassung.

Nach fast dreißig Jahren Haft hat Gatza alle repressiven Maßnahmen der spanischen Regierung gegen politische Gefangene am eigenen Leib verspürt, von der Zerstreuung, d.h. dem häufigen Wechsel der Gefängnisse, die dazu noch möglichst weit vom Baskenland entfernt liegen, bis hin zur nachträglichen Strafverlängerung, die als Parrot-Doktrin bekannt wurde, und 40 Jahre Haft ermöglicht.

Ginge es nach normalem, spanischem Recht, müsste Gatza spätestens seit 2005 wieder in Freiheit in seinem Heimatort Zornotza in der baskischen Provinz Bizkaia leben können.

Die spanische Polizei verhaftete ihn 1980, kurz nach der so genannten Transicion, dem viel gelobten Übergang der Franco-Diktatur in eine Demokratie, in der jedoch Polizei und Gerichte und vieles mehr beim alten blieb. Foltervorwürfe, die er gegen die Polizei erhob, wurden ignoriert, er wurde verurteilt und seither insgesamt 34 Mal von einem Gefängnis ins nächste verlegt. In den fast dreißig Jahren war er nur zweimal kurzzeitig in der Nähe zum Baskenland inhaftiert, die anderen Gefängnisse lagen hunderte Kilometer weit von daheim entfernt. De facto eine Sippenhaft für Freunde und Familie, die Woche um Woche Stunden auf Reisen verbringen, um den Sohn oder Freund kurz zu besuchen. Derzeit befindet er sich im Gefängnis von Jaen, 730 Kilometer von Zornotza entfernt. In 13 spanischen Gefängnissen war er bereits inhaftiert: Soria, Carabanchel, Puerto I, Herrera de la Mancha, Basauri, Alcala Meco, Sevilla II, Palma de Mallorca, Granada, Puerto II, Langraiz und Jaen.

Carabanchel und Herrera de la Mancha sind dafür bekannt, Gefangene zu brechen, in Jaen wird die extreme Isolation praktiziert. Gatza ist als Gefangener “ersten Grades” besonders harten Bedingungen der Isolation ausgesetzt, die mindestens 20 Stunden am Tag andauert.

Die baskischen politischen Gefangenen sind in Spanien und Frankreich nicht als politische Gefangene anerkannt, aber jede der vielen Sondermaßnahmen gegen die baskischen Gefangenen hat einen politischen Hintergrund. Sie missbraucht die Gefangenen dazu, politischen Druck auf die baskische Unabhängigkeitsbewegung auszuüben. Die normale Strafgesetzgebung erlaubt das nur bedingt, für politische Gefangene gelten daher spezielle Sondergesetze. Selbst unter strengster Auslegung “normaler” Gesetzgebung hätte Gatza im Jahr 2005, also vor vier Jahren, entlassen werden müssen.

Die Solidarität mit Jose Mari Sagardui im Baskenland geht weit über das Umfeld der linken Unabhängigkeitsbewegung hinaus. Das alte Parlament von Gasteiz, der Regionalregierung der zur Comunidad Autonoma Vasca (CAV) zusammengefassten drei baskischen Provinzen, die Stadtverwaltung von Zornotza und 41 soziale und kulturelle Einrichtungen der Stadt fordern seine Freilassung.

Am Samstag, den 11. Juli, werden sich in Zornotza Sternmärsche aus 29 unterschiedlichen Richtungen zum Ort der zentralen Kundgebung aufmachen.

Und während die neue PSE-Regierung der CAV meint, die Solidarität für Gefangene dadurch eindämmen zu können, dass sie ihre Polizei in Dorfkneipen und Stadtvierteln auf Jagd nach den Bildern von Gefangenen schickt, merkt sie nicht einmal, wie sehr sie mit ihrer zynischen, unmenschlichen Politik die Solidarität mit den Gefangenen zur Sache jedes anständigen Menschen macht.

(Foto: das Foto von Gatza neben dem Logo des Gefangenenkollektivs EPPK, darunter ein Poster mit den Bildern aller 730 Gefangenen)

S. auch:

Ingo Niebel, 7.7.2009: “Polizisten als Bilderstürmer”

Uschi Grandel, 17.5.2009: “Jedes Foto reflektiert den Konflikt”

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