01.05.2015 | Tomas Elgorriaga Kunze
Plakat Keine Auslieferung von Tomas

Am 31. Oktober 2014 wurde in Mannheim Tomas Elgorriaga Kunze verhaftet. Ihm droht die Auslieferung an Frankreich. Der 1963 geborene Baske lebte bis zu seiner Verhaftung in Freiburg und arbeitete an der dortigen Universität. Er ist einer der vielen baskischen Flüchtlinge, die wegen des Konflikts zwischen dem Baskenland und den beiden Staaten Spanien und Frankreich das Baskenland verlassen mussten. Tomas hat Ende April den folgenden Text aus der Auslieferungshaft in der JVA Mannheim verfasst, den wir zum 1. Mai veröffentlichen.

Ich versuche hier (im Knast in Mannheim, Anm. der Redaktion) die aktuelle Weltlage so gut es geht weiter zu verfolgen. Seit dem jähen Ende des grossflächigen Versuchs einer sozialen Moderne um 1990 haben sich die Folgen der privatwirtschaftlichen, profitorientierten liberalen Moderne drastisch verschärft. Die immer tragischer verlaufenden Migrations- und Fluchtbewegungen spiegeln paradigmatisch zugleich die Situation der Menschen in Europa, sowie in vielen Regionen der Welt wieder.

Einerseits bringen sie die Ungleichheiten zutage, unter denen immer mehr Menschen innerhalb Europas leiden, was ihre Chance betrifft, Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wohnraum und ein menschenwürdiges Einkommen zu erlangen. Dies betrifft ebenso Alteingesessene, wie – verschärft – Neuzugezogene.

Andererseits werden auch die Umstände in den Herkunftsländern der Migrantinnen und Migranten meistens vom neoliberalen Bestreben verursacht, weltweit natürliche und menschliche Ressourcen durch Krieg und Ausbeutung zu enteignen und koloniale Gräben zu vertiefen.
Die Probleme der Menschen im Baskenland gleichen denen der Menschen in ganz Europa. Aber der Konflikt dort, zwischen breiten Bevölkerungsschichten und den beteiligten, zunehmend autoritär agierenden Staaten bietet letzteren ein geeignetes Versuchsfeld, um repressive Sondermassnahmen gegen eine selbstbewusste und sozial aktive Gesellschaft einzusetzen.

Dazu gehören die massive Einschränkung der Meinungs-, Presse-, Demonstrations- und Bewegungsfreiheiten für systemkritischen Menschen und Organisationen. Ebenso die gewalttätige Verfolgung von politisch, gewerkschaftlich, sozial und kulturell aktiven Gruppen und Einzelpersonen mittels Festnahme, Folter, Inhaftierung, Kontrollauflagen, hoher Geldstrafen, Berufsverboten, Bewegungseinschränkungen und Beschlagnahmungen. Zuletzt wurde dies unter pauschalen, medienwirksamen („Terrorismus“-)Vorwürfen intensiviert durch die Kriminalisierung solidarischer Bewegungen (z.B. gegen Zwangsvollstreckungen, oder für politische Gefangene), von Jungendorganisationen, von internationalistischen und ökologischen Initiativen (Askapena, Itoiz, AHT, …), bis hin zu soziokulturellen Vereinen.

Die polizeiliche und juristische Gleichschaltung in der EU, z.B. über EU-Haftbefehle und Schengen-Abkommen, unterstützt bewusst und legitimiert ungeprüft rechtsfreie Räume in deren Mitgliedstaaten, um jeden sozialen und politischen Protest und Widerstand langfristig tot zu schweigen.
Der Weg aus der neoliberalen Sackgasse führt nicht über rassistische Ausgrenzung oder vermeintlich europäische Werte, sondern über den Aufbau von nachhaltigen, demokratischen Gesellschafts-strukturen. Der soziale und rechtliche Rückschritt der letzten Jahrzehnte bietet auch die Chance, diese von Grund auf neu zu gestalten: antipatriarchalisch, ökologisch und solidarisch. Hier, im Baskenland, und überall in der Welt.


In diesem Sinne zum 1. Mai 2015:
– Für die Befreiung der Arbeiterinnen und Arbeiter
– Für die Befreiung aller Menschen und Völker
– Für die internationale Solidarität
– Gora Euskal Herria askatuta eta sozialista! Für ein freies und sozialistisches Baskenland!

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