30.07.2012 | Uschi Grandel

Der baskische politische Aktivist Gorka Mayo wurde am 19. Januar 2011 verhaftet. Am 24. Juli 2012 wurde er gegen Kaution entlassen.

“Eine ziemlich große Überraschung”, sei es für ihn gewesen, als er mittags mit seiner Familie telefonierte und die ihm mitteilte, er würde am Abend gegen Hinterlegung einer Kaution von 10.000,00 EUR aus dem Gefängnis Soto Real bei Madrid entlassen. Ein Willkommensfest erwartete Gorka Mayo im 500 km entfernten Heimatort Bidaurreta in der baskischen Provinz Nafarroa (spanisch: Navarra). Dort war der 24-jährige vor eineinhalb Jahren – am 19. Januar 2011 – im Morgengrauen von der berüchtigten Militärpolizei Guardia Civil aus dem Bett geholt und gemeinsam mit neun anderen nach Madrid verschleppt worden.

Gorka Mayo war einer der Verhandlungsführer der abertzalen Linken, der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung, in den Gesprächen mit den baskischen Parteien Eusko Alkartasuna und Aralar für ein gemeinsames Wahlbündnis. Einige Tage vor seiner Verhaftung hatte er zusammen mit Txelui Moreno, einer der bekannten Persönlichkeiten der abertzalen Linken in Nafarroa, an einer Pressekonferenz teilgenommen. Nun verschwand er gemeinsam mit dem Sohn Txelui Morenos, mit Internetaktivisten, die das Internetfernsehen apurtu.org betrieben und anderen politischen Aktivisten unter dem üblichen Vorwand, auf Anweisung von ETA zu arbeiten, für eineinhalb Jahre hinter Gittern.

Aus dem Gefängnis konnte er den Siegeszug des Linksbündnisses Bildu bei den Kommunalwahlen im Mai 2011 und den Wahlsieg Amaiurs bei den Wahlen zum spanischen Parlament im November 2011 verfolgen. Die Verhandlungen mit Eusko Alkartasuna und Aralar hatten zu erfolgreichen Wahlbündnissen geführt. Mittlerweile ist auf Anordnung des spanischen Verfassungsgerichts auch die neue Partei der abertzalen Linken, Sortu, zugelassen und ins Parteienregister eingetragen. Das spanische Innenministerium hatte versucht, das zu verhindern, und war dabei vom Obersten Gerichtshof in Spanien unterstützt worden.

Genauso unvermittelt wie seine Festnahme kam nun seine Freilassung nach gestohlenen 18 Monaten. Beim Willkommensfest in Bidaurreta begrüsste ihn Pernando Barrena, der selbst Jahre für seine politischen Aktivitäten hinter Gittern verbrachte. Barrena wies darauf hin, wie sehr die Wahlerfolge Bildus und Amaiurs die Hoffnung auf Veränderung in Euskal Herria, dem Baskenland, gestärkt hätten. Das sei auch das Verdienst der Arbeit von Gorka Mayo. “Das ist einer seiner großen politischen Beiträge. Dafür haben sie ihn verhaftet,” erklärte Pernando Barrena.

In den Verhören nach der Verhaftung, die wegen des “Terrorismus”-Vorwurfs unter dem Incommunicado-Regime, einer bis zu 5-tägigen völligen Abschottung von der Aussenwelt, stattfand, sei er bedroht worden und stundenlang über Details seiner politischen Arbeit befragt worden, hatte Gorka Mayo nach dem Ende der Incommunicado-Haft seinem Anwalt berichtet.

Warum haben sie ihn jetzt freigelassen? Bis zu vier Jahren kann die spanische Justiz einen “Terrorismus”-Verdächtigen ohne Verfahren im Gefängnis behalten. Der spanische Staat brauche ja schliesslich viel Geld, das er sich so als Kaution von denen holt, die er zuvor grundlos inhaftiere, witzelte der Karrikaturist der baskischen Tageszeitung GARA nach einigen überraschenden Entlassungen.

Der französische und der spanische Staat sollten “endlich Schritte auf dem Weg zu einer demokratischen Lösung gehen”, fordert Pernando Barrena. Es gehe nicht an, dass in Euskal Herria nach wie vor ein Ausnahmezustand herrscht” und es für die baskische Linke nicht “dieselben Möglichkeiten für ihre politische Arbeit” gebe, wie für die anderen Parteien.


Siehe: GARA/Naiz vom 28.7.2012 (in spanischer Sprache) weiterlesen >>

Foto: Pernando Barrena begrüßt Gorka Mayo auf der Willkommensfeier in Bidaurreta


Erläuterungen der Begriffe “abertzale Linke” und “Euskal Herria”:

Abertzale Linke: der Begriff “abertzale Linke” ist eng verknüpft mit der speziellen Ausprägung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung als progressive und internationalistische Bewegung. Als solche umfasst sie ein breites Spektrum von Organisationen, wie zum Beispiel politische Parteien, Gewerkschaften und kulturelle Organisationen, sowie bedeutende Teile der Frauen- , Umwelt- und Internationalismusbewegungen, die das gemeinsame Ziel der Befreiung des Baskenlandes haben. So wie Republikanismus eine besondere Bedeutung im irischen Kontext besitzt, kann der Begriff „abertzale“ nicht nur einfach als Unabhängigkeitsbewegung übersetzt werden, ohne seine progressive Bedeutung zu betonen.

Euskal Herria: Euskal Herria bezeichnet das gesamte Baskenland, das aus sieben Provinzen besteht. Es umfasst 20 000 km2 und hat eine Bevölkerungszahl von etwa 3 Millionen. Das Baskenland ist derzeit geteilt: Lapurdi, Nafarroa Beherea und Zuberoa befinden sich unter französischer Verwaltung. Die drei Provinzen sind dabei keine Verwaltungseinheit, sondern ohne Eigenständigkeit in andere Departements eingegliedert. Die südlichen vier Provinzen befinden sich unter spanischer Herrschaft: Bizkaia, Gipuzkoa und Araba bilden als Comunidad Autonoma Vasca (CAV, Autonome baskische Gemeinschaft) eine Einheit. Nafarroa hat eine separate Regionalverwaltung (CFN, Foralgemeinschaft Navarra). In den Medien wird oft das Baskenland mit der Comunidad Autonoma Vasca gleichgesetzt.

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