06.02.2014 | Ingo Niebel
Der Todesfall Bellon beherrscht die Titelseite der Tageszeitung Gara

Wie starb der 36jährige politische Gefangene Arkaitz Bellon? Diese Frage könnte sich leicht mittels einer Autopsie beantworten lassen. Die Verwaltung des südspanischen Gefängnisses Puerto de Santamaría musste von Rechts wegen eine solche Untersuchung beantragen. Die Familie des Basken wollte ebenfalls Gewissheit haben, denn bis zu seinem Tod am Mittwoch galt der junge Mann als gesund. Aber es kam mal wieder anders.
Anstatt einen Vertrauensarzt zu der Untersuchung hinzuziehen, wie es die Angehörigen noch am Mittwochnachmittag beantragt hatten, begann die offizielle Autopsie am Donnerstagmorgen bereits um 9 Uhr in der Clínica Médico Forense von Cádiz ohne ihn. Die Gefängnisverwaltung begründete diesen Schritt damit, dass ein anderslautender Antrag sie nicht erreicht hätte. Dem hat die Gefangenenhilfsorganisation Etxerat (Heimwärts) in einer Pressemitteilung widersprochen und mitgeteilt, dass die Familie eine zweite Autopsie beantragt habe.
Gestern Nachmittag fanden Vollzugsbeamte Bellon tot in seiner Einzelzelle auf. Das spanische Innenministerium sprach sofort von „natürlichen Ursachen“, die zum Tod geführt haben sollen trotz seines guten Gesundheitszustandes. Während der knapp 13jährigen Haftzeit zeigte Bellon, wie heute bekannt wurde, viermal an, dass Gefängnisaufseher ihn während seiner Haftzeit zusammengeschlagen hätten. Hinzu kam die Folter, die er nach seiner Verhaftung im Polizeigewahrsam erlitten hatte. Für Mai war seine Entlassung vorgesehen; dann hätte er seine Gefängnisstrafe vollständig verbüßt gehabt.
Nach Ansicht von Etxerat ist Bellon ein Opfer der spanischen Haftpolitik, da er von Gesetzes wegen schon noch zwei Dritteln beziehungsweise drei Vierteln seiner Haftzeit hätte freikommen müssen. Diese Regelungen gelten aber nicht für die 519 Basken und Baskinnen, die im sich Kollektiv der Baskischen Politischen Gefangenen (EPPK) zusammengeschlossen haben. Das erklärt auch, warum Bellon bis zu seinem Tod unter verschärften Bedingungen in Einzelhaft gehalten wurde. Das ist ebenfalls eine Ausnahmeregel, die das Gros des EPPK betrifft.
Die Regierung des postfranquistischen Premiers Mariano Rajoy (PP) hat noch keine Anstalten gezeigt, die bisherige Politik in der Gefangenenfrage zu verändern, obwohl diese der eigenen Gesetzeslage wider- und der politischen Lage nicht mehr entspricht. Schliesslich hat die Untergrundorganisation Euskadi Ta Askatasuna (ETA, Baskenland und Freiheit) am 20. Oktober 2011 ihren bewaffneten Kampf beendet und politisch ist das Terrain für eine Verhandlungslösung des politischen Konflikts vorbereitet.
Wie der Tod von Arkaitz Bellon sich auf die politische Situation auswirken wird, bleibt abzuwarten. Falls jemand gehofft haben sollte, er würde zu Ausschreitungen führen, wie das vor 2011 mehrfach der Fall war, wird er enttäuscht sein: Trauer und Betroffenheit haben sich nicht in Gewalt entladen. Im Moment scheint es so, als könnte ausgerechnet der Tod des jungen Basken den politischen Druck auf Rajoy erhöhen, endlich in der Gefangenenfrage Politikfähigkeit zu zeigen.
Die baskische Linkspartei Sortu ruft zu einer Email-Aktion auf, die sich an die für die Gefangenenpolitik verantwortlichen Beamten richtet. In einem vorgefertigten Schreiben verlangt man die vollständige Aufklärung der Umstände, die zum Tod von Bellon führten. Des Weiteren besteht man auf die Freilassung aller schwerkranken Häftlinge gemäß Artikel 92.3 des spanischen Strafgesetzbuches und auf die Verlegung der übrigen Gefangenen in Haftanstalten nahe des Heimatortes, so wie das spanische Gesetz und internationale Empfehlungen es vorsehen.

Zurück zum Menu